Henrichshütte Hattingen – LWL-Industriemuseum

Im Rahmen der Beratungen zum Haushalt für 2023 war der Arbeitskreis Kultur um dessen Leiter Alexander Arens und den Fraktionsvorsitzenden Arne Hermann Stopsack unlängst im LWL-Industriemuseum Henrichtshütte Hattingen zu Gast. Nach der Sitzung, einem Gedankenaustausch mit Kulturlandesrätin Dr. Barbara Rüschhoff-Parzinger sowie einem Gespräch mit den Museumsverantwortlichen vor Ort, besonders zu den aktuellen Projekten und Baumaßnahmen vor Ort, ging es gut anderthalb Stunden über das riesige Museumsareal. Es gibt wohl kaum ein Ort in NRW, wo man Industriekultur für Eisen und Stahl  und die Wechselvolle Geschichte so hautnah miterleben kann.

Die Geschichte der Henrichshütte ist beispielhaft für Entstehung, Entwicklung und Niedergang der Schwerindustrie im Ruhrgebiet.

 

Erz, Kohle und ein Fluss verlockten 1854 einen Adeligen aus dem Harz zur Firmengründung an der Ruhr. 150 Jahre lang wurde auf dem nach ihm benannten Hüttenwerk Eisen und Stahl erzeugt, gegossen, geschmiedet und gewalzt. Dort stand auch der älteste Hochofen im Revier; Zur Blütezeit arbeiteten 10.000 Menschen in dem Werk nahe der Ruhr. In Hattingen entstanden Schienen und Radsätze für die Eisenbahn, große Schmiede- und Gussstücke, Turbinenwellen und Kernreaktoren, Panzerbleche und Granaten sowie Teile für die Weltraumindustrie.

Die Henrichshütte hatte während ihres Bestehens mit zwei grundsätzlichen Problemen zu kämpfen: Zum einen war dies der begrenzte Raum, der ihr zwischen der Ruhr und dem Hattinger Ruhrhang zur Verfügung stand; größere Erweiterungen des Werks waren dadurch nicht möglich. Einzig in den 1950er Jahren wurde durch die Verlegung des Ruhrflussbettes ein größeres Stück zum Werksgelände hinzugefügt. Zum anderen war dies die schlechte Verkehrsanbindung, dabei vor allem das Fehlen eines schiffbaren Gewässers, weshalb die Rohstoffe nur auf dem Schienenweg nach Hattingen gelangen konnten.

 

Dem setzte die Henrichshütte eine Spezialisierung auf die Herstellung von hochqualitativen Einzelstücken entgegen, was den Betrieb über viele Jahrzehnte rentabel hielt. So gehörten zunächst Dampfkessel, später dann Radsätze (auch für den ICE), Bauteile für Arianeraketen und Castorbehälter zur Produktpalette. Auch der Reaktordruckbehälter des ersten bundesdeutschen Kernkraftwerkes kam aus den Hallen der Henrichshütte. Wegen der hohen Qualität, die man dort erreichen konnte, wählte der amerikanische Künstler Richard Serra die Henrichshütte zur Produktionsstätte seiner zahlreichen Stahlplastiken.

 

Anfang 1987 gab die Thyssen Stahl AG die Stilllegung der Hochöfen, der 4,2m-Grobblechstraße, des Elektrostahlwerks und der Stranggießanlage sowie die Einstellung des Ausbildungsbetriebs auf der Henrichshütte bekannt. Das bedeutete das drohende „Aus“ für die Hütte und den Verlust von knapp 3.000 Arbeitsplätzen und des Großteils der in Hattingen verfügbaren Lehrstellen. Mit  Bekanntwerden der Stilllegungspläne entstand eine von allen Schichten der Hattinger Bevölkerung  getragene Protestbewegung, die einfallsreich und in vielfältiger Form auf die drohende Schließung und den Verlust der Arbeitsplätze aufmerksam machte. Die Aktionen des „Hüttenkampfes“ reichten von der Demonstration  mit 30.000 Teilnehmern über die Einrichtung eines „Dorfs des Widerstands“ bis zur das Hüttengelände umschließenden  Menschenkette und zum Hungerstreik der Frauen. Sie erzeugten öffentliche Aufmerksamkeit und führten zu sozialverträglichen Lösungen beim Abbau der Arbeitsplätze, verhinderten aber nicht das Ende der Henrichshütte.

 

Mit dem letzten Abstich wurde am 18. Dezember 1987 nach 133 Jahren in Hattingen die Roheisenerzeugung eingestellt. Mit der Stilllegung der Hochöfen und des Walzwerks gingen die über Jahrzehnte entwickelten und bewährten Vorzüge eines integrierten Hüttenwerks verloren. So brachte die Übernahme von Blasstahlwerk, Schmiede und Bearbeitungswerkstätten durch die neu gegründete Vereinigte Schmiedewerke Gesellschaft 1988 nur einen kurzen Aufschub. 2004 schloss mit der Schmiede der letzte Feuerbetrieb.

Der Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL) hat das Areal des Hüttenwerkes mitsamt dem Inventar 1989 übernommen. Vor der Sprengung im Jahre 2005 konnten auch einige Objekte des benachbarten Stahlwerks “gerettet” werden, darunter Konverter, Gussstücke oder Kokillen. Hochofen 2 wurde demontiert und in China wieder aufgebaut. Der erhalten Hochofen 3 ist der älteste noch erhaltene Hochofen im ganzen Ruhrrevier. Während das eigentliche Hüttenwerk zu einem Museum ausgebaut wurde, entstand auf der anderen Straßenseite auf dem Gelände des Stahlwerks der sogenannte HenrichsPark, ein Baugebiet mit Gewerbe-, Dienstleistungs- und Freizeitansiedlungen.



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